PRESSENZA | 25.04.2016
Genitalverstümmelung macht die ganze Gesellschaft krank
Hannah Wettig, Projektleiterin bei Stop FGM Middle East gibt uns ein eindrückliches Interview. Es ist...
YOUTUBE.DE | 17.01.2016
Weibliche Genitalverstümmelung in Irakisch-Kurdistan
Ein Vortrag mit Thomas von der Osten-Sacken über die Verbreitung der weiblichen...
BILD.DE | 06.01.2016
ISIS fordert Genitalverstümmelung
Die ISIS-Terrormiliz fordert in einer Fatwa die Genitalverstüm-melung bei kleinen Mädchen...
wadi | 02.05.2015
Der Kampf gegen weibliche Genitalverstümmelung (FGM) in Irakisch-Kurdistan
Arvid Vormann erklärt am Beispiel einer Region, welch wichtige Rolle Aufklärung zukommt, um...
ZENITH | 15.08.2014
»Wer zur Beschneidung von Mädchen aufruft, sollte verurteilt werden«
Falah Shakarm von der NGO WADI berichtet, warum weibliche Genitalverstümmelung in...
DIE WELT | 04.08.2014
Genitalverstümmelung – Fatwa oder Falschmeldung?
Hat die islamistische Gruppe IS die Genitalverstümmelung befohlen?Die Wahrscheinlichkeit...
rdl.DE | 01.05.2014
FGM- die Verstümmelung weiblicher Genitalien weiter verbreitet als angenommen
Ein Interview mit Hannah Wettig von der Hilfsorganisation Wadi. Wadi ist der Praxis der...
publikative.org | 28.10.2013
Film über Genitalverstümmelung in Kurdistan räumt mit Tabus auf
In Großbritannien ist eine großangelegte Kampagne gegen weibliche Genitalverstümmelung...
RDL.De | 11.02.2013
Genitalverstümmelung und religiöse Begründung
Nach Untersuchungen der Hilfsorganisation Wadi ist Genitalverstümmelung nicht nur...
DIE WELT | 06.02.2013
"Die Klinge war stumpf, die Hebamme blind"
Das barbarische Ritual der Genitalverstümmelung bei Frauen wird in der muslimischen Welt...
WADI | 05.02.2013
Der 6. Februar: Tag der Null-Toleranz gegenüber weiblicher Genitalverstümmelung
Gegen FGM wird immer noch zu wenig unternommen...
EKR.DE | 09.2012
Zur Beschneidungsdebatte nach den Kölner Gerichtsurteil
Nach einem Urteil des Kölner Landgerichts vom 7. Mai 2012 ist die religiös begründete...
WADI | 12.05.2012
Wadi Interview: Eine Hölle für Frauen?
Gola Ahmed Hama arbeitet seit 2008 als Koordinatorin von Wadi Projekten in der Pishder, einer...
WADI | 09.04.2012
Studie zeigt: Auch der Raum Kirkuk betroffen
Erstmals wurde durch eine empirische Studie belegt, dass weibliche Genitalverstümmelung...
DIE WELT | 08.03.2012
Einladung von Hillary
In Deutschland ist die Nichtregierungsorganisation Wadi noch nicht so bekannt, aber...
JUNGLE WORLD | 25.08.2011
Verstümmeln im Namen Gottes
Weit mehr als die Hälfte der Frauen im kurdischen Norden des Irak sind an den Genitalien...
turkishpress | 07.01.2011
Der Grenzzaun trennt die Türkei nicht nur von Nordirak, sondern auch von der weiblichen Genitalverstümmelung
Südöstlich der Türkei ist FGM weiterhin nicht strafbar...
WADI-ONLINE | 16.11.2010
Verletzt-Verstümmelt-Verkannt
Die Genitalverstümmelung von Frauen im Nordirak ist das Ergebnis eines...
mÄrkische allgem. | 02.09.2010
Hilfsorganisationen setzen alles daran, Genitalverstümmelung zu stoppen
Rehan trägt ein knallrotes Kleid mit kleinen, schwarzen Ornamenten. Sie ist die...
SONNTAGSZEITUNG | 20.06.2010
Eine Schande für die Kurden
Hilfsorganisationen in Kurdistan setzen alles daran, weibliche Genitalverstümmelungen zu...
WELT online | 16.06.2010
Wie aus einer Tradition für Frauen ein Trauma wird
Beschneidung von Frauen ist im kurdischen Nordirak Brauch. Doch in der Region regt sich...
diestandard.at | 16.06.2010
Mehrheit der irakischen Kurdinnen FGM-Opfer
Menschenrechtsorganisation fordert gesetzliches Verbot der grausamen Praxis...
HRW | 16.06.2010
Irak/AR Kurdistan: Frauen und Mädchen leiden unter Folgen der Genitalverstümmelung
Regierung der Autonomen Region Kurdistan soll Genitalverstümmelung verbieten.
JUNGE WELT | 12.02.2010
Frauen in Nordirak oft FGM-Opfer
Weit mehr als die Hälfte der Frauen im kurdischen Norden des Irak sind an den Genitalien...
Kölner stadtanz. | 05.02.2010
Menschenrecht gilt auch für Mädchen
Die Beschneidung von Mädchen stellt immer und überall Körperverletzung dar...
JUNGLE WORLD | 04.02.2010
Weibliche Genitalverstümmelung ist nicht nur ein afrikanisches Problem
Die weibliche Genitalverstümmelung ist kein »afrikanisches Problem«....

 

 

 


JUNGLE WORLD | 25.08.2011 Originaltext

Verstümmeln im Namen Gottes

Islamisten protestieren gegen ein vom nordirakischen Parlament verabschiedetes Gesetz, das Genitalverstümmelung und häusliche Gewalt verbietet. Sie wollen verhindern, dass sich die Gesetzgebung von der Sharia löst.

von Arvid Vormann

Darf der Mensch seine »eigenen« Gesetze erlassen? Darf er sich zum Souverän erklären, oder ist das bereits eine blasphemische Anmaßung, weil diese Rolle ausschließlich Gott zukommt? Ob die menschliche Gesetzgebung sich von religiösen Vorschriften lösen darf, ist eine der für die politische Entwicklung der islamischen Welt entscheidenden Fragen, wenn nicht die Grundfrage überhaupt, und sie stellt sich seit dem Beginn der arabischen Revolten mit neuer Aktualität. Die Islamisten und viele Geistliche fordern, die Gesetze maßgeblich an der Sharia auszurichten und vor allem in der Familiengesetzgebung keine Elemente zuzulassen, die ihr widersprechen. Solche Forderungen geraten aber unweigerlich in Konflikt mit elementaren Menschenrechten.

Auch in der kurdischen Autonomieregion des Irak wird dieser Konflikt gegenwärtig ausgetragen. Im Hinblick auf die Frauenrechte und die Stellung der Frau in der Gesellschaft war man hier zwar schon immer etwas aufgeschlossener als in Bagdad, jedenfalls auf dem Papier. Doch die Rolle der Sharia ist ungeklärt. In der Autonomieregion wurde bisher noch keine eigene Verfassung verabschiedet, und die irakische Verfassung fordert ungeachtet des Widerspruchs, dass ein Gesetz sowohl den Maßgaben der Sharia als auch den Prinzipien von Demokratie und Menschenrechten Genüge tun müsse. Nachdem Menschenrechtsgruppen jahrelang ein ausdrückliches Verbot der im Nordirak verbreiteten weiblichen Genitalverstümmelung (FGM) gefordert hatten, verabschiedete das Regionalparlament nun vor Kurzem ein neues Gesetz, das Gewalt gegen Frauen und Kinder sowie Zwangsverheiratungen, Kinderarbeit und nicht zuletzt die Genitalverstümmelung verbietet und unter Strafe stellt.

Es wäre das erste Gesetz gegen Genitalverstümmelung im gesamten Nahen Osten. Beachtlich ist dieser Schritt vor allem angesichts des zunächst erheblichen Widerstands gerade aus Kreisen der Regionalregierung. Das Problem der Genitalverstümmelung wurde verharmlost oder entgegen aller Evidenz schlichtweg geleugnet. Im Jahr 2008 weigerte sich das Parlament noch, einen Gesetzentwurf zum Thema zu diskutieren. Im November 2010 kam der Durchbruch. Premierminister Barham Salih erklärte öffentlich, FGM sei gefährlich und dürfe nicht toleriert werden.

Mit dem nun verabschiedeten Gesetz sehen ­einige religiöse Gruppen eine rote Linie überschritten. »Wollt ihr die Kontrolle über eure Familien verlieren?« ist das Motto einer jüngst ins Leben gerufenen Kampagne religiöser Würdenträger, die an den Präsidenten Massoud Barzani appelliert, das verabschiedete Gesetz auf keinen Fall mit seiner Unterschrift zu ratifizieren. Da diese Unterschrift erforderlich ist, um das Gesetz in Kraft zu setzen, dauern vorerst die Spekulationen ­darüber an, ob Barzani in letzter Sekunde vor den Islamisten einknicken wird.

Die Islamisten scheuen die Konfrontation nicht. Ismail Sussai, ein Mullah aus Arbil, machte kürzlich Schlagzeilen, als er in einer Predigt die Genitalverstümmelung als eine gute Sache verteidigte. Imam Shafi’i habe FGM als islamische Pflicht angesehen, und daher sollten alle Mädchen und Frauen beschnitten sein. Die meisten irakischen Kurden fühlen sich der nach dem frühmittelalterlichen Rechtsgelehrten benannten shafi’itischen Rechtsschule verpflichtet. FGM sei Bestandteil der Sharia, sagte Sussai, und das neue Gesetz diene nur dazu, den Juden zu gefallen. »Sie gehorchen ihrem Kommando und missachten die Sharia Allahs«, ereiferte er sich, als wolle er die hierzulande verbreitete Ansicht, Genitalverstümmelung habe nichts mit dem Islam zu tun, widerlegen.

Auch die Kriminalisierung der häuslichen Gewalt verurteilte er: »Allah sagt, wenn eine Frau ihrem Mann nicht gehorcht, darf er sie schlagen. Das Gesetz gegen häusliche Gewalt verstößt gegen die Sharia. (…) Wie kann ich es hinnehmen, dass Mädchen zu Hause nicht geschlagen werden dürfen? Dass ein Junge nicht geschlagen werden darf? Hat der Prophet selbst nicht gesagt: ›Wenn ein Kind im Alter von zehn Jahren noch nicht betet, dann schlage es‹? Sie setzen sich damit über die Überlieferungen des Propheten hinweg.«

In dieser Schärfe ist der Protest des Mullahs, über den auf den Titelseiten vieler Tageszeitungen der Region berichtet wurde, sicher eine Ausnahme. Doch grundsätzlich steht er mit seinen Ansichten keineswegs allein. Andere Mullahs sekundierten, und die Kampagne gegen das Gesetz soll ihre Kräfte bündeln. Unter den Geistlichen und Religionsgelehrten wird sich in nächster Zeit wahrscheinlich eine recht heftige Kontroverse entspinnen, denn längst nicht alle teilen das fundamentalistische Religionsverständnis. So verkündete der renommierte Sharia-Experte Mustafa Zalmi im Februar, FGM sei im Islam definitiv verboten, und er sei bereit, diese Frage mit jedem zu diskutieren, der das anders sehe.

Bereits im vorigen Jahr erließ das Fatwa-Komitee der kurdischen Union der Islamgelehrten ein Dekret zum Thema FGM, dessen Halbherzigkeit davon zeugte, wie uneinig sich die Geistlichen sind. Dort hieß es, FGM sei im Islam nicht vorgeschrieben, es handele sich um eine vorislamische Praxis. Den Eltern sei es freigestellt, sich für die »Beschneidung« ihrer Tochter zu entscheiden, wegen zu befürchtender gesundheitlicher Schäden rate man jedoch, darauf zu verzichten.

Die Auseinandersetzung über das neue Gesetz kumuliert in der Entscheidung »Menschenrechte oder Gottesrecht«, ihr Ergebnis wird vor allem für die Rechte von Frauen und Mädchen, aber auch für das Selbstverständnis der Autonomie­region sehr bedeutsam sein und die Entwicklung in anderen Landesteilen beeinflussen. Die Zentralregierung und das nationale Parlament haben sich noch nicht mit dem Thema Genitalverstümmelung befasst, obwohl diese Praxis vermutlich nicht nur in der Autonomieregion verbreitet ist.